Erinnerungen



Moritz Rosenberg

Herzog - Wolfgang - Straße 5

Die Herzog - Wolfgang - Straße in Meisenheim wurde von 1922 an erschlossen. Im Zuge der sukzessiven Bebauung erwarb auch der Tabakhändler Moritz Rosenberg (* 17. 27.5.1866) ein Grundstück und errichtete darauf 1926 ein Wohnhaus, das die Hausnummer 5 erhielt.

 

Hier wohnte er mit seiner Frau Auguste geborene Stern (*16. Januar 1863) und den Töchtern Johanna (* 20.1.1891) und Else (* 29.7.1894). Sein Sohn Salm Theodor hatte Meisenheim bereits verlassen und kam 1926 in der französischen Fremdenlegion ums Leben.
Im Zeitzeugenbericht von Anni Lamb und Kläre Schlarb heißt es: "Karl Buß schreibt, Moritz Rosenberg sei eine stadtbekannte Persönlichkeit gewesen, Mitglied des Stadtrates und mehrerer Vereine. Die Familie hatte gute Kontakte zu den Nachbarn… Die Eltern beachteten streng die jüdischen Sitten, die Kinder weniger. 1924 als noch 55 jüdische Gemeindemitglieder gezählt wurden, gehörte Moritz Rosenberg bereits zum Vorstand der Gemeinde, ab 1932 war ihr 1. Vorsitzender.

 

 

 


Else Rosenberg soll in der Stadt besonders beliebt gewesen sein, sie kümmerte sich um arme Leute. Ihre beste Freundin war Johanna Feickert, die auch dann noch treu zu ihr hielt, als man sie geschäftlich ruinierte… und sie in die Möbelfabrik zwangsverpflichtete. Elsa hat ihr immer wieder gesagt, sie solle sich von ihr fernhalten, es sei zu gefährlich…
Es wurde uns berichtet, dass Moritz Rosenberg in den dreißiger Jahren mit anderen Juden zu einer Beerdigung fahren wollte, man beschimpfte sie am Bahnhof, schlug Ihnen den Zylinder vom Kopf und jagte sie nach Hause. Auch in der so genannten "Kristallnacht" wurde Moritz Rosenberg geschlagen. Man erinnert sich, dass er und seine Frau Auguste - noch nicht einmal fertig angekleidet - ins Gefängnis abgeführt wurden."

Johanna Rosenberg und ihrem Mann gelang es am 27.10.1938 in die USA zu entkommen.
Moritz, Auguste und Else verließen Meisenheim am 6.2.1939 nach Frankfurt und landeten im Konzentrationslager Theresienstadt.
Sie kamen dort alle drei zu Tode. Auguste am 16. September 1942, Moritz am 8. Januar 1943 und Elsas Tod wurde am 31.12.1945 festgestellt.


 




In Erinnerung an die Familie Rosenberg sind von den heutigen Eigentümern im Dachaufbau zwei Davidsterne (oben rechts und links) bewusst belassen.



 

Albert Loeb
Untergasse 49

 

Die Verkaufsprotokolle der Stadt weisen das Anwesen seit 1808 als jüdischen Besitz unterschiedlicher Familien aus (Hertz Levy und Jacob Kaufmann). Hier wohnte und arbeitet schließlich auch Kaufmann Albert Loeb (* 17. Juni 1860).
Kläre Schlarb berichtet: " Er führte das angesehene, beliebte Textilgeschäft "Auf dem Treppchen", in welchem er eine große Auswahl an guten Anzugstoffen anbot. Er wird als kluger, belesener, freundlicher und rechtschaffenden Mitbürger beschrieben, der sich gerne mit seinen Nachbarn unterhielt…



Katharina Feickert führte ihm den Haushalt und hielt bis zu seiner Deportation treu zu ihm. Bereits im November 1933 übergab er sein Geschäft dem Nachfolger Otto Höh, der ein Jugendfreund seines Neffen Peter war. Damals war er 73 Jahre alt.
In der Pogromnacht stellte sich Katharina Feickert schützend vor AlbertLoeb und behauptete, die Wohnungseinrichtung gehörte ihr, so dass die SA-Männer abzogen. Albert Loeb war kein frommer Jude. Er soll nie in die Synagoge gegangen sein.
Albert Loeb war 82 Jahre alt, als er sich zur Deportation in Bad Kreuznach einzufinden hatte. Aus Theresienstadt schrieb er am 13. Juni 1943 noch eine Karte an Freunde in Mannheim. Das war sein letztes Lebenszeichen. Er verstarb dort am 12.11.1943.

 

 


 

 

 

 


 

Über dem Torbogen: "Juden sind hier unerwünscht" 




Die Deportation aus Bad Kreuznach


 Im Mai 1942 wurden 142 Juden aus Bad Kreuznach nach Theresienstadt deportiert, von denen nach dem Krieg niemand mehr zurückgekehrt ist. Wie eine solche Deportation vor sich ging, demonstriert ein Brief, den die Jüdin Lina Sara Heß, geborene Seligmann, aus Seibersbach erhielt.

Er wurde ihr am 25. Juli 1942 übergeben!!

"Anliegend übersende ich ihr Vermögensverzeichnis mit der Bitte, dieses auf der letzten Seite unterschriftlich zu vollziehen und dieses sofort wieder nach hier zurück zu senden. Bis spätestens Montag, dem 27. Juli 1942 muss ich im Besitz dieses Verzeichnis es sein.
Sie haben sich am Sonntag, den 26. Juli 1942, bis 17:00 Uhr in Bad Kreuznach, Gymnasialstr. 11 (nicht Turnhalle Ingelheimerstr.) einzufinden.

Mitnehmen können Sie:
1 Koffer oder Rucksack mit Ausrüstungsstücken (kein sperriges Gut) im Höchstfall im Gewicht von etwa 30 Kg.
Vollständige Bekleidung (ordentliches Schuhwerk)
Bettzeug mit Decke (zweckmäßig alles zusammen in einem Bettsack)
Essgeschirr, Teller oder Topf mit Löffel
Zusätzlich können nachstehende Gegenstände mitgenommen werden:
1 guter Eimer
1 gut erhaltener Topf
1 Kehrbesen, ein Aufnehmetuch, eine Zange, ein Hammer und eine kleine Säge

Verboten ist die Mitnahme von:
Wertpapieren, Devisen, Sparkassenbüchern,
Wertsachen jeder Art (Gold, Silber, Platin) mit Ausnahme des Eherings,
Lebendem Inventar
Sämtliche Lebensmittelkarten sind an die hiesige Kartenstelle zurück zu geben.
Diese Jüdin wurde dann nach Theresienstadt "evakuiert".
Die Juden bleiben einige Tage in den Sammelstätten (Gymnasialstraße 11, jüdisches Gemeindehaus und in der "Concordia"). Sie wurden in den viel zu kleinen Räumlichkeiten zusammengepfercht. Die sanitären Bedingungen waren miserabel. Eines Morgens wurden sie dann zum Güterbahnhof Bad Kreuznach gebracht. Sie stellten sich auf der Laderampe auf und wurden in Viehwaggons verladen. Meistens wurden sie nach Theresienstadt gebracht. 1942 wurde das Gros der Juden aus unserer Gegend deportiert. Die letzte Deportation aus Bad Kreuznach erfolgte 1944.

(Quelle: Bad Kreuznacher Heimatblätter 4/1980. Das Schicksal der Juden im Kreis Bad Kreuznach in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Hartmut Lempert, Gymnasium Sobernheim)


Adolph David
Obergasse 8
Im historischen Fürstenwärtherhof wohnte die Familie des Getreidehändlers Adolph David. Sein Vater Louis David, Jahrgang 1835, geboren in Meisenheim, hatte 1861 die Firma David gegründet, die den Landhandel mit Futtermitteln, Getreide und Saatgut betrieb. Der Allgemeine Anzeiger würdigte an seinem 70. Geburtstag sein "hohes Ansehen, seine allgemeine Beliebtheit, seinen liberalen Bürgersinn sowie seine geschäftliche Tätigkeit."




Seine drei Söhne Theodor, August und Adolph waren ebenfalls im Unternehmen tätig. Theodor und August zog es Mitte der zwanziger Jahre ins geschäftige Mannheim, wo es ihnen gelang, die geschäftlichen Beziehungen auszubauen und die Bedeutung des Unternehmens David zu steigern. Von 1900 bis zur Zwangsliquidation, der so genannten Arisierung der Firma im Jahr 1936, führte Adolph David das Gesamtunternehmen äußerst erfolgreich.
Für Adolph David war Meisenheim Heimat, in der er als geachteter Bürger lebte. Im 1. Weltkrieg hatte er als deutscher Soldat in Frankreich gekämpft. Er zählte sich bewusst zur deutschen Nation, allerdings ohne darüber "vernagelt deutschnational" zu sein. Da er liberal dachte und handelte, hielt er zu den strengen religiösen jüdischen Mitbürgern entsprechende Distanz.

 



 



Adolph David mit Ehefrau

im Hof Obergasse 8


Adolph David als 

Soldat im 1. Weltkrieg


Portrait Adolph David


Die politischen Ereignisse nach der Machtergreifung der Nazis 1933 gingen auch an der Familie David nicht vorbei. Adolph David musste sich dem wachsenden Druck des NS–Regimes beugen und 1937 die Firma David aufgeben.
Der Schreiner Fritz Buß berichtete empört, dass im selben Jahr jüdische Mitbürger von der Nazibande angepöbelt und durch die Untergasse getrieben wurden. Und so verließ also auch die Familie David 1937 Meisenheim, um in der Anonymität der Großstadt Mannheim unauffälligere Lebensbedingungen zu finden. Die Bitten seiner Söhne Otto und Erich, die inzwischen Deutschland verlassen hatten, ihnen doch auch ins Ausland zu folgen, lehnte er ab, in der irrigen Annahme, ihm könne ja nichts geschehen, schließlich habe er seinen Mitmenschen nicht geschadet, sondern viel Gutes getan. Außerdem glaubte er nicht, dass die NSDAP sich lange an der Macht halten könne, weil die Wehrmacht Auswüchse nicht auf Dauer hinnehmen würde. Ein verhängnisvoller Irrtum.


Am 9. November 1938 wurde Adolf David auf offener Straße in Mannheim verhaftet und ins KZ Dachau deportiert. Dort kam er am 9.12.1938 unter nicht mehr ermittelbaren Umständen ums Leben. Er wurde 59 Jahre alt. Seine zweite Frau Bertha und ihre 20-jährige Tochter Liesel konnten im Sommer 1939 über Rotterdam in die USA entkommen.



Zum Herunterladen eine sehr interessante historische Zusammenfassung von Günther Lenhoff

Jüdisches Leben an Nahe und Glan von 321 n. Chr. bis 1946: